Mittwoch, 8. Juni 2005
Wunder gibt es immer wieder
Heute: Lividus kann neuerdings wieder 14 Stunden am Tag arbeiten, natürlich unterbrochen von Schokoeis- und Kekspausen. Auch wenn ich Gefahr laufe, meine schon latent vorhandene Koffeinsucht zu manifestieren und gleichzeitig die werte Leserschaft der munddusche mit panischen Letztesdrittelderdiplomarbeitsphasebeiträgen zu langweilen, habe ich heute fast den Eindruck, als ob das wirklich noch was werden könnte - ohne dass ich am Ende des Monats beim Prof. ankrauchen und um eine Verlängerung betteln muss. Gefaulenzt wurde schon zu lange, zu lange hab ich meine Unfähigkeit, produktiv zu arbeiten, auf mein zerissenes Herz geschoben, zu lange hab ich innerlich nach Ausreden gesucht.

Unter Druck entstehen bekanntlich Diamanten. Was rein geologisch falsch ist. Da gehört nämlich noch viel Zeit dazu. Scheint so, als müsste ich den Naturgesetzen trotzen...

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Montag, 6. Juni 2005
soziale Isolation
Der Schreibtisch versinkt im Chaos, Ordner stapeln sich übereinander, aufgeschlagene Bücher mit dutzenden Lesezeichen, Zettel vollgeschmiert mit Notizen schieben sich unter die Tastatur. In einer Ecke reihen sich leere Kaffeetassen, Bierflaschen und Kekspackungen aneinander. Rechts und links neben dem Tisch haben sich Phallanxen aus Fachartikeln, Büchern, Listen und Diagrammen gebildet, die Wände sind tapeziert mit Karten und Grafiken. In Mitten ich, unrasiert mit strubbeligen Haaren, bestimmt nicht mehr wohlriechend. Es ist nach vier Uhr nachts und ich beschließe, den Tag zu beenden.
Eigentlich könnte man meinen, dass hier wirklich fleissig an einer Diplomarbeit gewerkelt wird. Ist mittlerweile auch so. Nur zu spät ist dieser Zustand eingetreten. Soziale Isolation, ich komme - aber nur für die nächsten 4 Wochen!

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Samstag, 4. Juni 2005
Horizont
...doch in dieser einen Stunde,
in der ich dich verloren hab,
weiß ich, was ich dir angetan,
breche über mich den Stab.

Wollte doch mehr hinterlassen,
weiß nicht, wohin mit meiner Wut,
außer gegen mich gerichtet,
doch selbst dazu fehlt mir der Mut.

Dort wo der Horizont
sich mit dem Meer verbindet.
Dort wollt' ich auf dich warten,
auf dass du mich dort findest.


//np: In Extremo: Horizont

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Egotrip
Sie ist inert. Aber so was von. Wenn ich ein Mädchen wäre, selbst ausgestattet mit dem selben moderaten Alkoholspiegel wie ich, könnte ich nichts anderes, als der Versuchung nachzugeben.
Da ist mir ein Mann gegenüber, der sich wirklich alle Mühe gibt, eine angenehme Mischung aus Selbstbewußtsein und Bescheidenheit praktiziert, der den genauen Unterschied zwischen frivolem Anflirten und tiefen Verständnis zeigt, der sowohl einen intelligenten als auch einen sozialkompatiblen Eindruck macht. Er ist witzig an den Stellen, wo er es muss. Er hält den Mund an den Stellen, wo er es muß. Ein Mann, der zwischen dem, was er falsch macht und richtig machen könnte unterscheiden kann. Der es auch tut. Ein Frauenversteher, dessen letztes Ziel ist, genau dies zu zeigen, es aber genau dadurch ausdrückt. Kurz gesagt: Die perfekte Mischung zwischen Sexmachine und bravem Brötchenholer. Wer kann dem widerstehen?

Das bin ich. Ich auf dem Egotrip. Ja, so ein Arschloch bin ich. Ein berechnendes Arschloch. Ein Arschloch, der nichts anderes im Sinn hat, als sie abzuschleppen. Ein betrunkenes Arschloch obendrein. Sie tut gut daran, mich nicht zu beachten. Sie weiß von Arschlöchern wie mich. Sie weiß, wie es endet. Sie wird das Arschloch verletzen, das sie lieben wollte.

Ich schäme mich.

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Donnerstag, 2. Juni 2005
Home has never been so far away
Ja, sie sind ja auch weit gefahren, um hier zu sein. Es war ein schönes Konzert, sie haben ihr bestes gegeben, um das maximalste an Stimmung aus den paar Anwesenden zu holen. Sind es in Slowenien auch Stadien mit 30.000 Leuten, so waren es heute nur 62 nette Menschen, die sie hören wollten - ich einer von ihnen, in einem kleinen Club, der aber selbst für diese Masse an Personen etwas zu groß ausgefallen war. Familiäre Atmosphäre sozusagen, zur Belohnung gabs auch die originale Setlist und janz viele Autogramme für die Devotionalien-Kiste :-)

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Dienstag, 31. Mai 2005
Naturheildingsda
Zu Besuch bei meiner Jugendliebe in ihrer neuen linksalternativen Jonglierer-WG. Die neue Liebe eines Mitbewohners verabschiedet sich. Eine kurze Unterhaltung, in der wir erfahren, dass sie eine Ausbildung zur Heilpraktikerin macht. Weil wir gerade beim Thema Katzen (5 an der Zahl in der WG) und meiner leichten Allergie gegen die Vierbeiner sind, stelle ich nicht ganz ernst gemeint die Frage nach einer alternativen Behandlungsmethode. Sofort wird fachlich ausgeholt und mit geraten, ich solle die Ursachen dafür erkunden und diese bekämpfen, statt die Symptome. Klingt einleuchtend. Was kann denn die Ursache sein?
- Nun, da musst du tief in dich schauen, bei einer Katzenallergie hast du wahrscheinlich ein Problem mit Nähe, so im Allgemeinen.

Schön, dass ich jetzt klüger bin. Haptschie! *schnief*

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nach der Ruhe vor dem Sturm
Blitze erhellen den Raum als ob Himmel und Erde ein episches Duell mit dem Lichtschwert austragen, ein dumpfes Donnergrollen erinnert an die mächtigen Sternzerstörer vorhin im Kino, Regen peitscht an die Hauswand, kühle Luft strömt langsam zum Fenster hinein und vertreibt die vor Hitze fast flüssig gewordene Luft in den hintersten Winkel des Raums.
Draussen in der Dunkelheit erahne ich die Bäume, die sich im Sturm hin- und herwiegen, große und starke Geschöpfe, die schon seit vielen Jahren solchen Stürmen trotzen.

Die Ruhe vor dem Sturm ist vorrüber, das Grollen und das Geschrei des Gewitters hat begonnen. Die Regenschauer schwellen an- und wieder ab, die Erde begrüßt diese Gabe des Himmels und verabschiedet die Dürre mit einem hämischen Lächeln, während die Bäume wankend und ächzend scheinbar diese Sintflut verfluchen, wohl wissend, dass ihr Überleben davon abhängt.

Langsam lässt der Regen nach, das Grollen zieht weiter, das himmlische Feuer glimmt nur noch am Horizont auf. Ab und zu versucht es noch, seine Herrschaft zu beweisen, seine Niederlage gegen die Kräfte des Windes, die es weitertragen wird, steht jedoch fest.

Dann ist es ruhig, das Wasser tropft von den Ästen der Bäume, von Fern noch das letzte Grummeln des Gewitters. Die Luft ist dunkel und klar, kühl und feucht, der Erdboden dunkel und nass, die Risse der Dürre in ihm quellen zu und die Pflanzen auf ihm scheinen aufzuatmen, erleichtert, diesen Sturm überlebt zu haben, erleichtert über die neu gefüllten Reserven des Bodens, auf dem sie wachsen. Sie sind bereit, sich am nächsten Morgen wieder der sengenden Hitze und des lebensspendenden Lichtes der Sonne hinzugeben.

Die Ruhe nach dem Sturm ist erlösend, sie schafft Kraft für einen Neuanfang, für einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft.

Von allen Erzählungen des Alten Testamentes war mir die Geschichte von Noah und seiner Arche immer am liebsten.
Heute, nach diesem Sturm, spüre ich auch die Freunde und Hoffnung, aber auch die Ungewissheit über die Zukunft. Alles Zurückgebliebe, alles Unnütze, alles Schlechte ist hinter mir geblieben, ist fortgespült durch die Kräfte der Sintflut.

(Wenn jetzt gleich auf der Fensterbank eine Taube mit einem grünen Ölzweig im Schnabel erscheint, weiß ich zumindest, dass ich einen Hau habe)

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