Donnerstag, 18. Mai 2006
Radfahrerpolemik
Motorradfahrer sind nette Menschen. Sie grüßen sich auf der Straße. Auch Käferfahrer tun es, Busfahrer auch. Begegnet man sich, so winkt man sich zu. Ein Nicken tut es auch oder ein lässiges Heben der Kupplungshand.

Rennradfahrer sind da anders. Getrieben von Neid, Egoismus und Leistungsdenken. Survival of the fittest. In jedem strampelden Genossen, mit dem man die Straße teilt, wird ein potentieller Kokurrent gesehen. Jemand, der schneller ist. Der sportlicher aussieht, jemand, der die bessere und teurere Ausrüstung hat. Es gibt bloß Opfer und Gewinner. Weichei oder Stahlwade. Voiture balai oder Maillot jaune.

Ausnahmen bestätigen selten die Regel. Fahrer gleicher Leistungsklassen erkennen sich sehr schnell, das höchste der Gefühle ist ein flüchtiges Nicken - aber auch nur beim Entgegenkommen.

Wehe man ist auf der selben Spur unterwegs, in der selben Richtung. Dann zählt bloß eins: Geschwindigkeit.

Heute auf der Feierabendrunde. Halbzeit. Nach ca. 30 Kilometern allein, unterbrochen von wenigen flüchtigen Kopfnickern, stehen sie an der Ampel hinter mir. Zu Zweit sind sie. Sportliche Jungs, kein Gramm Fett zuviel. Gute Räder. Beides mehrere Monatsgehälter von mir. Sie mustern mich, spüre ihre Blicke in meinem Nacken. Schnell falle ich in die Kategorie "Opfer": Kein tolles Rad, für einen Rennradfahrer mindestens 15 Kilo zuviel am Körper, eine leichte Sache.

Die Ampel springt auf Grün. Ich will es nicht drauf ankommen lassen und gehe ruhig an. Halte sie 3 km lang hinter mir. Ebene - sie sind schneller, sie überholen - und das ziemlich schnell. Ohne Gruß, ohne einen Blick. Sauarrogant. Ich gebe mich geschlagen, eine andere Liga.

Jedoch: der Abstand vergrößert sich nicht. Ohne große Anstrengung halte ich sie 200 m vor mir. Sie kämpfen, trotz Windschatten, es kann es sehen. Drehen sich um, gehen panisch aus dem Sattel. Ich bin die Ruhe selbst, entweder es geht oder es geht nicht. Das Glück des Jagenden.

Nach weiteren 5 km kommt die Steigung, nichts besonderes, 2 km gehts hoch, ich gehe entspannt da rein und bleibe bewusst im grünen Bereich.

Und komme näher. Panisches Umdrehen. Hektisches Antreten. Ihr habt euch geirrt, Jungs - der Lividus hat schon ein paar Kilometer gemacht dieses Jahr. Und dabei sind ihm seine 15 Kilos zuviel ziemlich egal.

Abstand 30 Meter, Kreuzung. Die Ampel springt auf Rot. Zeit für einen fairen Neustart. Safety Car Phase. Reset.
Nix da - was machen die Wichsbirnen? Die Feiglinge? Die Weicheier? Fahren über Rot! Und ich halte natürlich an. Die Säcke! Ampeldoping! Straßenverkehrs-Epo! Sauerei. 500 Meter verloren.

Ich bleibe ruhig, aber bestimmt. Leider ist die Steigung vorbei, es geht links ins hügelige Land des Ruhrtals. Der Abstand schrumpft mit jeder Welle. Jeder Hügel gibt mir 20-30 Meter, ich bin die Pedalensau, die Stahlwade, ich schlucke euch, ihr Heuchler!

Der letzte Blick von den beiden nach hinten. Ich kann ihre gedachten Flüche hören, das Laktat in ihren Beinen riechen. Sie sind am Ende.

Und ich muss rechts abbiegen - den Berg hoch, aus dem Tal raus. Richtung Heimat. Ganz entspannt tue ich das. Nächstes Wochenende, Leute - dann fahre ich auch die zweite Runde.

Ihr werdet ans Ruhrufer kotzen, ihr Pfeifen!

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grosses kino!

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"...das Laktat in ihren Beinen riechen."

Großartig!

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