Samstag, 2. Juli 2005
Ich hab dich lieb
Zugeben, mittlerweile bin ich mir gar nicht mehr so sicher, dass es ein oder mehrere Autos wären, mit denen ich beschäftig wäre, hätte ich nur das nötige Geld dafür. Dies wäre mir zu klischeehaft männlich. Nun, ich bin beruhigt, außer der mittellauten Musikanlage habe ich im Auto noch nie was geschraubt ;-)

Und trotzdem bin ich eine Beziehung zu einer Sache eingegangen. War es bisher eher eine Zweckgemeinschaft, entwickelt es sich in neuester Zeit etwas intensiver. Der Grund für die Gefühlsregungen ist ist rein ästhetisch-sinnlincher Art. Wenn Fahrräder vor mir stehen oder an mir vorbeifahren, muss ich einfach hingucken. Und bei Fahrrädern ist wies wie bei Menschen - viele schaut man an und vergißt sie sofort, manche andere sind wirkliche Schönheiten, die in Kopf und Augen hängenbleiben.

Rad Nr. 2 ist das Stiefkind, im letzten Jahr im betrunkenen Kopf für 25 Euro bei eBay ersteigert - ein klassisches Peugeot Mangalore, sprich der Prototyp eines Fahrrades, so wie es Anfang der 80er auszusehen hatte - in einem katastrophalen Zustand. Wirklich wert war nur der Rahmen noch etwas - und dies macht es aus: Die Form eines Fahrrades, so wie ich es als Kind gemalt habe (die Kinder von heute malen doch nur noch diese Full-Suspension-Cross-Dinger als "Fahrrad"). Schon letztes Jahr investierte ich viel Arbeit und zuviel Geld, um einen fahrbaren Untersatz draus zu machen: Schrauben, Rahmen lackieren, schrauben, viele neue Teile, schrauben und nochmal schrauben, usw... ein Partyrad solle es sein.

In diesem einen Jahr habe ich eine diffuse Beziehung zu diesem Rad entwicklelt. Während das Verhältnis zu Rad Nr. 1 zwar leidenschaftlich, aber verhältnismäßig abgelärt ist (es weiß halt, was es kann und wie es sich verhalten muss, wenn ich drauf sitze), war es eher eine Hassliebe, die mich mit Rad Nr. 2 verband.

Bis zum heutigen Tag. Ich hatte in den letzten Wochen der Diplomarbeit immer nach neuen Sachen geschaut, habe einige eBay-Schnäppchen gemacht und alles in allem wieder viel Geld ausgegeben. Heute der große Tag in der Werkstatt. 6 Stunden lang wurde es operiert und war danach mit der neuen 14-gängigen Rennradübersetzung und der passenden Schaltung, den neuen Laufrädern und einigen anderen Accessoires kaum wiederzuerkennen. Einige Mucken sind zwar noch da, die werden aber beseitigt. Ok - es sieht immer noch aus dem ersten Blick aus wie ein ganz normales Fahrrad, nichts besonderes, keine unvernüftig teuren Sachen wie sie Rad Nr. 1 verdienen würde und ich sie mir trotzdem nicht leisten könnte, sondern etwas ganz normales. Kneipenrtauglich ist es immer noch.

Ich hatte mich seit Wochen auf diesen heutigen Tag gefreut. Und als es vollbracht war, als dieses vormals allzunormale Kneipenfahrrad in neuem Glanz vor mir stand und ich es anschaute, flüsterte ich leise "Ich hab dich lieb." - und erschrak vor mir selbst. War es ein Fahrrad geworden, das meine Zuneigung wecken kann? Anscheinden schon. Mit dem Schraubenschlüssel in der Hand fühlte ich mich in der Zeit heute wesentlich sicherer und entspannter, als im momentanen Umgang mit anderen Menschen. Während die Liebe zu Rad Nr. 1 ungebrochen ist, läuft Rad Nr. 2 in Gefahr, den Status eines geheimen Liebhabers zu bekommen. Wahrlich - ich hätte gut dran getan, 300 Euro für ein neues billiges Rad auszugeben und es als "Rad Nr. 2 " zu deklarieren, als Party- und Kneipen- und Schwimmbadrad - ich hätte aber niemals soviel Arbeit und (ja, ich nenne es so) Liebe investiert, um diese Beziehung so weit wachsen zu lassen.

Ach du liebe Güte - eigentlich bin ich froh, dass es sich nur um Fahrräder handelt. Bei Autos wäre das wesentlich teurer. Außerdem wäre ich als machohafter bezinsüchtiger Typ abgestempelt. Räder haben da wenigstens noch eine sportliche Komponente ;-) Morgen muss ich mich dringend wieder mit Rad Nr. 1 beschäftigen - stand es wärend der Diplomarbeit doch mehr oder weniger im vollen Glanz in der Ecke, dabei wartet die große Tour in diesem Jahr noch...

Kurz frage ich mich noch, warum dies so ist - warum ich von Metallgebilden mit zwei Rädern erzähle, die Gefühle in mir wecken. Ist es eine reine Notlage? Gibt es niemand anderen in meinem Leben, dem ich offen ins Gesicht sagen kann: "Ich hab dich lieb."? Gibt es nichts schöneres in meinem Leben, als einen kompletten Freitagnachmittag damit zu verbringen, mit Schraubenschlüsseln rumzuhantieren?

Die Zeit wird es mir sagen.

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Donnerstag, 30. Juni 2005
teurer Spass
Puhh, teuer - so eine Arbeit. Drucken konnte ich zwar umsonst im Institut, aber Papier, Bindung aller fünf Exemplare, bedruckbare CD-Rohlinge, kleine Papiertäschchen für selbige zum Einkleben, ein Mittagessen auf die Schnelle, ein paar Liter tanken, um auch wieder nach Hause zu kommen und zwei Cocktails heute im Biergarten zur Nervenmassage - und schon bin ich annähernd um 60 Euro ärmer :-(

Dafür macht es Freude, mal wieder abends hier zu sitzen, eine schöne CD einzulegen und einfach und ohne Hintergedanken die Musik zu genießen. Easy Listening. Die Karten- und Diagrammtapete ist von den Wänden verschwunden, ich bin gar verwundert, welche geschmackvollen Bilder darunter zum Vorschein kommen, der massige Stapel an Büchern wurde wieder der Bibliothek übergeben (keine Versäumnisgebühren, ich bin stolz auf mich!), was noch fehlt sind geputzte Fenster und ein gesaugter Boden - Dinge, die in letzter Zeit etwas vernachlässigt worden sind. Ich bin zwar hundemüde, fühle mich aber wohl in meiner Haut (was auch an den zwei Cocktails liegen mag).

Das absolute Glück ist nicht vorhanden, wie auch? Es ist ein Rindvieh, nein, aber es fühlt sich gut an. Zum Glück gehören viele Dinge. Nein, ganz wenige Dinge - aber wichtige. In der vergangenen Zeit hatte ich eine Beziehung zu dieser Arbeit, war nie alleine, sozusagen kein Single mehr. Morgen wird sie mich verlassen und ich werde mich einsam fühlen. Ich merke, wie der Dämon mir im Nacken sitzt, bereit zum Angriff. Ich werde es nicht zulassen und kämpfen. Nein, es kann nicht angehen, dass mich sowas nach dieser Zeit noch mitnimmt, ich habe besseres zu tun. Trotzdem sitzt er da, den Bogen gespannt und bereit, in einem ungeahnten Moment den Pfeil in meinen Kopf zu bohren.

Ach was, der Quälgeist soll Ruhe geben. Es gibt viele tolle Dinge zu tun in den nächsten Wochen. Ich fühle mich wohl in meiner Haut. Die Zukunft und Vergangenheit sollen erstmal ausgeschaltet sein, das Jetzt zählt und nichts anderes.


/np: Eva Cassidy - The Letter


/edit:

Minuten später, ich merke, wie Druck von mir abfällt. Gefühle komme zurück, viele Gefühle. Tränen laufen über mein Gesicht, viele Tränen. Viele, wie lange nicht mehr. Ich fühle mich hilflos, ich bin hilflos. Niemand kann diese Tränen sehen, sie wegwischen und nichtig machen. Sie sind einfach da, ich muss damit leben.

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Mittwoch, 29. Juni 2005
Der Drucker läuft
Knappe 9 Monate dauerte das ganze Projekt insgesamt - mit vielen Pausen, Höhen und Tiefen, persönlicher Verzweiflung und Euphorie, unglaublicher Verliebtheit, einem gebrochenen Herzen (meinem), einer unverschämten Portion Faulheit gepaart mit panikartigen Anfällen von Arbeitswut.

8 Wochen Schreibarbeit, davon 4 intensiv, 500 Seiten Papier, ein Satz Druckerpatronen, 486 MB Daten, 4000 Seiten Literatur von der nur ein Bruchteil gelesen und ein noch geringerer Anteil verstanden worden ist, 20 Pfund Kaffee, 5 Kilo Schokolade, 3 Kästen Öttinger Pilsener, eine manifestierte Nikotinabhängigkeit, 15 erlebte Sonnenaufgänge beim Schlafen gehen, 500 g Nervenmasse weniger, dafür 4 Kilo Fettmasse zusätzlich am Körper, 2654 Kompiliervorgänge in LaTeX und die Hilfe einer sehr lieben Person in der letzten Nacht vor dem Druck.

Jetzt gibts kein zurück - ich muss meine geistigen Ergüsse abliefern, mit dem Ergebnis bin ich zwar nich ganz zufrieden, aber es wird langen.

Und das war erst die Diplomarbeit. Die wirklich wichtigen Dinge warten noch dort - in der nebelverhangenen Zukunft. Aber das hat Zeit, jetzt wird vier Wochen erstmal nix gemacht.

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Dienstag, 28. Juni 2005
*flaschbieraufmach*
Letzter Satz des lezten Kapitels mit einem Punkt beendet. Jetzt schreib ich noch nen schickes Abstract, morgen kommt der Korrekturmarathon, am Mittwoch drucken und binden, am Donnerstag die Frau Prüfungsamt beglücken.

Irgendwo muss aber noch ein Haken sein - in der letzten Phase lief es einfach zu gut und auch ohne große Freizeiteinbußen. Nun - time will tell.

Prost!

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Dienstag, 28. Juni 2005
Ich fasse es nicht
Dr. Jordan Cavanaugh geht am helligten Tage mit einem fremden Mann ins Bett! Sowas!

(ich bin ein kleines wenig eifersüchtig!)

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